Anbei ein Auszug aus Frühlings-Stimmung(s)-Poesie – Frühlings-Anthologie 2010 des Novum Pro-Verlages.
Darin hatte ich die beiden folgenden Texte (Gedicht und Kurzgeschichte) veröffentlicht – und heute habe ich sie noch einmal ausgegraben, um uns ein wenig in Frühlingsstimmung zu versetzen 🙂
Der Frühling
Frühlings zärtlich-sanfte Hand,
dring in meine Glieder,
treib die innre Kälte aus,
und erwärm mich wieder.
Ein Sonnenstrahl auf dem Gesicht –
und ich bild mir wirklich ein,
die Sonne scheine nur für mich,
hier in meinem Garten.
Ich weiß, du liebst mich, wie ich bin,
lässt nicht auf dich warten.
Denn du willst nicht menschlich sein,
du hast keine Unarten.
Es fragt mich nicht das junge Grün,
was ich denn wohl täte,
ich muss mir machen keine Mühn,
um Fassade zu bewahrn.
Denn auch als primitivster Mensch,
ganz egal, was ich auch tu,
du machst keinen Unterschied,
bei dir komme ich zur Ruh.
Und wir ach so schlauen Menschen,
wir wollen ja so menschlich sein,
dabei ziehn wir ständig Grenzen,
niemand ist mehr wirklich frei.
Ach,
wie wäre es doch schön,
nicht die ständigen Gesichter,
sondern nur dich anzusehn!
Nur ein Tag
06.00 Uhr und mein Wecker klingelt. Schon beim Aufwachen spüre ich, dass irgendetwas anders ist, noch während meine Hand automatisch auf den Nachttisch schlägt, um dem grauenhaften mechanischen Piepen meines Weckers den Garaus zu machen.
Mein ganzer Körper fühlt sich irgendwie anders an. Ich könnte nicht sagen, was anders ist. Ich fühle mich nicht krank oder so. Aber es ist ein anderes Gefühl als sonst. Es ist ja nicht nur mein Körper – auch die Gedanken in meinem Kopf fühlen sich ganz anders an. So, als wäre ich nicht ich, sondern jemand anderes, der nur heute mal in diesen Körper geschlüpft ist, und als beträfe es gar nicht mich, die da jetzt langsam mal ihren Hintern aus dem Bett bewegen und aufstehen muss, sondern als wäre ich nur ein Zuschauer, der durch die Gucklöcher in den Augen mitschauen darf, was passiert – links und rechts wird der Ton dazu durch die Ohren zugespielt. Neue Definition von Kopfkino.
Wirklich seltsam. Sollte echt langsam mal ins Bad gehen, sonst komme ich noch zu spät zur Arbeit, wenn ich hier weiter liegend meinen seltsamen Gedanken nachhänge. Soll ich jetzt zuerst meine Haare waschen oder mich schminken? Eigentlich habe ich doch schon jahrelange Routine in meinen Morgengewohnheiten.
Aber entgegen aller Gewohnheiten stehe ich heute vor meinem Schrank und entscheide mich für das neue blaue Kleid – normalerweise gehe ich meist in Jeans und T-Shirt oder Pulli zur Arbeit – und bin schon so spät dran, dass ich ohne Frühstück hinaushaste.
Wie jeden Morgen gehe ich zuerst durch den Thompson Park (na gut, diesmal haste ich), der vor meinem Haus in der Innenstadt liegt, und nehme die U-Bahn.
In mir drin ist immer noch dieses komische wattige Gefühl, während ich beim Fahren die anderen Leute beobachte. Da sitzt eine andere junge Frau und tippt etwas in ihr Handy, während ihr die große Basken-Strickmütze immer wieder ins Gesicht rutscht, sodass sie sie ständig zurückschieben muss. Eine ganze Reihe Jugendlicher und Kinder sitzen dort und ein älterer Mann liest die Morgenzeitung, seelenruhig, während sein Laptop auf dem Schoß liegt und die Jugendlichen durcheinander quatschen und albern.
30 Minuten dauert es, bis die Bahn an meiner Haltestelle ankommt und ich noch zwei Blocks zu meiner Arbeitsstelle, einem Musikladen, gehen muss.
Wir halten an der vorletzten Haltestelle und die Türen gehen auf. Plötzlich springt einer der Jugendlichen auf, ein großer, schlaksiger Kerl, und ehe man sich versieht, schnappt er sich den teuer aussehenden Laptop des älteren Mannes, der erschrocken zusammenzuckt, und sprintet aus der Bahn und zwischen den ein- und aussteigenden Leuten auf dem Bahnsteig hindurch.
Ich bin wie gelähmt – aber nur für ungefähr eine Sekunde. Denn dann springe ich – entgegen meiner sonstigen Vorsicht und Zurückhaltung – abrupt auf und haste ebenso auf den Bahnsteig hinaus.
Ich sehe den Haarschopf des Jungen noch zwischen den Leuten verschwinden und renne ihm hinterher, die Rolltreppe hinauf und über den Gehweg. Er dreht sich um und sieht, dass er verfolgt wird, aber seine langen Beine tragen ihn ziemlich schnell. Ich schwitze schon wie verrückt und meine Tasche schlägt mir stetig gegen die Hüften, aber ich merke es gar nicht richtig. „He, du! Bleib stehen!“ rufe ich außer Atem und renne weiter, obwohl ich schon Seitenstechen bekomme ob der ungewohnten Anstrengung.
Ich habe Mühe, an ihm dranzubleiben, und wir sind schon um mehrere Blocks gelaufen; ich glaube bereits, ihn zu verlieren, da wird auch er langsamer und ich bekomme fast seinen Ärmel zu fassen. Wir sind mittlerweile direkt auf dem Bürgersteig vor dem Musikladen, in dem ich arbeite. Er dreht sich nochmals um, um zu sehen, wie nah ich an ihm dran bin – und läuft – wumms! – direkt in einen Fußgänger hinein; Junge und Laptop gehen zu Boden, wobei ich schon so nahe bin, dass ich mitgerissen werden.
„Sie haben etwas verloren?“ Verdutzt schaue ich in das attraktive Gesicht des jungen Fußgängers, der mit der einen Hand den verdatterten Jungen festhält und mir mit der anderen den Laptop entgegenstreckt.
„Ähm … ja … „, stottere ich und nehme den Laptop entgegen, während er mir dann auch noch galant aufhilft.
Ich sehe ein Leuchten in seinen blauen Augen, das mich einerseits auf der Stelle beruhigt, während andererseits mein Herz, das immer noch wild von der Verfolgungsjagd pocht, einen Hüpfer macht.
Und in diesem Moment merke ich es: Vögel zwitschern, die ersten Sonnenstrahlen wärmen mich – und die Luft ist lau und riecht angenehm mild: Es wird Frühling.